Möchtegern oder möchte gern

Foto: pixabay, pavlelederer2

Vielleicht kennst Du das Gefühl auch:
Du denkst, dass Du manche Dinge in Deinem Leben nur fake-st. Dass Du sie eigentlich gar nicht echt beherrscht, aber mit Mühe und Not den äußeren Anschein erwecken kannst, dass Du es doch im Griff hättest.
Es kostet Dich enorm Kraft, Deine Selbstzweifel und -kritik so weit zu unterdrücken, dass Du Dich nicht ständig in Frage stellen musst. Oft denkst Du, dass Du Deinen Job oder was immer es ist, in dem Du meinst, Dich beweisen zu müssen, noch perfekter und noch besser machen müsstest, damit ja nicht auffliegt, wie wenig Du es eigentlich draufhast.
Natürlich sind diese Gedanken nicht ständig präsent, aber sie schlummern am Grund meiner Seele, bereit anzuspringen, wenn etwas schiefgeht oder nicht die Erwartungen trifft.

Ich habe gerade erst heute Nachmittag in einem Radiobeitrag gehört, dass solche Gedanken einen Namen haben: „Hochstapler-Syndrom“ nennt man das.
Ich fühle mich als Hochstaplerin. Als Möchtegern-Mutter, Möchtegern- Berufstätige, Möchtegern- Hundebesitzerin, Möchtegern- Köchin, Möchtegern-Gärtnerin, Möchtegern-Freundin, Möchtegern-whatever. Die Liste ist unvollständig.
Mein Blick ist dabei tunnelartig auf all meine echten oder eingebildeten Defizite gerichtet.
Das, was ich gut mache, worin ich stark oder doch wenigstens okay bin, gerät komplett aus dem Sichtfeld.
Das ist keine sehr aufbauende Wahrnehmung meiner selbst, die sich aber leider ziemlich hartnäckig in mir eingenistet hat.
Es wird wahrscheinlich eine Lebensaufgabe für mich bleiben, die Perspektive wechseln zu können. Weg von meinen Zweifeln und der Selbstkritik und hin zu jemandem, der mir etwas anderes sagt.

Ich fühle mich als Möchtegern.
Aber Jesus: möchte gern.

Er möchte mich gerne überzeugen, dass ich genug bin.
Nicht gerade so eben genug, dass noch ein Auge fest zugedrückt werden muss bei der Bewertung.
Nein. Genug. Vollkommen genug.
So genug, dass ich genau jetzt und bis in alle Ewigkeit geliebt bin.

Meine Seele braucht diese Wahrheit. Immer wieder. Täglich. Stündlich. Augenblicklich.

Vielleicht fühlst Du Dich auch manchmal so (wenn der Radiobeitrag nicht gelogen hat, dann bin ich mit dem Hochstapler-Syndrom nicht alleine).
Mich kostet es manchmal all meine Kraft und all meine Überwindung, mich innerlich von meiner Möchtegern-Mentalität zu lösen.
Aber ich wünsche mir, dass ich es mehr und mehr  schaffe und dann auch lerne, mein Herz für die Antwort von Jesus zu öffnen.
Er sagt:

Ja, ich möchte gerne.
Dich.

Freude

Heute will ich mich einfach freuen.

Freuen, dass ich lebe und atme.

Dass die Sonne scheint, jedenfalls hinter den Wolken.

Dass ich singen kann (wenn auch nicht besonders schön).

Dass ich andere Menschen treffe und feiern darf.

Dass es Frühling wird.

Dass ich sehe, wie Blumen blühen,höre, wie Vögel zwitschern, rieche, wie frisch die Luft ist.

Ich bin hier, in der Gemeinschaft der Gläubigen, die mich spüren lässt, dass ich nicht alleine bin, aufgehoben in etwas Größerem.

Ich habe noch den Geschmack von Brot und Traubensaft auf der Zunge und in der Seele. Er erinnert mich daran, dass Jesus in mir wohnt und auch in der anderen Person, der ich das Brot und den Saft weiterreiche.

Heute will ich all diese kleinen und großen Schätze in den Blick nehmen und sie voll Dankbarkeit feiern.

Was die Osterfreude kaputtmachen will, wird heute einfach ausgesperrt.

Und noch was zum Freuen:

Meistens träumt man ja in Bildern oder Filmen. Neulich habe ich einfach nur einen Satz geträumt. Ich wusste ihn nach dem Aufwachen noch:

„Wir können gar nicht sterben.“

Das war der Satz.Verrückt, irgendwie.Natürlich können wir sterben! Und wie! Jedes Kind weiß, dass wir sterben!!

Aber vielleicht war es mein Ostersatz, mein Auferstehungssatz, mein Glaubens- und Hoffnungssatz, der mir geschenkt wurde, damit ich weiß:

Jesus lebt.

Und ich werde auch leben.

Durchkreuzt

Foto: pixabay

An Karfreitag wurde vieles durchkreuzt:

Die Römer dachten, sie durchkreuzen einen möglichen Aufstand.

Die führenden jüdischen Geistlichen wollten eine Bewegung durchkreuzen, die sie in ihrer Machtposition und Bedeutung bedrohte.

Gott selbst hatte wieder ganz andere Pläne und hat die Vorstellung der Menschen, wie sein Reich zu kommen hat, durchkreuzt.

Auch dem Plan des Teufels, dass die Sünde uns zerstören und für immer fertigmachen kann, hat er einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.

Das Kreuz bringt alles durcheinander, erstmal auf eine erschütternde, grausame Art und Weise.

Heute ist Ostersamstag.
Die Schmerzen und Ängste von Karfreitag sind noch präsent und real.
Von Wunder oder Wendepunkt kann keine Rede sein- ich glaube, niemand hatte damals sowas auf dem Schirm.

Wo liegt Deine Hoffnung begraben?
Was ist Deine Ostersamstags- Situation, die (noch) so dunkel wirkt, dass vieles oder alles verloren scheint?
Ich kenne „Ostersamstags- Schmerzen“: offene Fragen, Situationen, in denen ich nicht weiter weiß, Nöte, aus denen ich mich nicht selbst befreien kann.

Aber lass uns gemeinsam durchhalten, gemeinsam glauben und gemeinsam beten, dass Jesus handelt, vielleicht noch unsichtbar und verborgen.
Dass das Kreuz nicht einfach verstörend und schrecklich war, sondern heilsame Kraft hat.

Lass uns dran denken, dass die Geschichte weitergeht:
Gestern war Karfreitag.
Aber morgen,
morgen ist Ostern.

Gib nicht auf.
Gott kann das Dunkel durchkreuzen.

Die Bullytante oder: Federn lesen

Quelle: PublicDomainPictures, pixabay

Mir begegnet beim Spazierengehen öfter eine Dame, über die ich viel nachdenken musste:
Sehr häufig wenn ich sie in der Vergangenheit getroffen habe, hatte sie irgendetwas an mir bzw. an meinem Hund auszusetzen: Mal fand sie es doof, dass er angeleint war, dann wieder hat sie sich geärgert, dass er nicht angeleint war. Sie fand es doof, wenn sie mit dem Fahrrad an uns vorbeifahren wollte und wir sie aufgehalten haben.  Bei der nächsten Begegnung hat sie sich aber darüber beschwert, warum die Hunde denn nicht mal miteinander spielen können. Egal, wie ich mich verhalten habe- in ihren Augen war es jedes Mal genau grundverkehrt und für sie ein Anlass, genervt und unfreundlich zu reagieren. Man kann sich vorstellen, wie groß meine Begeisterung war, wenn ich gesehen habe, dass sie mir mal wieder über den Weg läuft. Ich habe dann angefangen, sie insgeheim „die Bullytante“ zu nennen, weil ich fand, dass sie sich mir gegenüber doch sehr unfair und schroff verhielt.

Dann bin ich eines Morgens aus dem Haus gegangen und habe halb gedacht, halb gebetet: „Oh bitte lass mich doch heute nicht die Bully-Tante treffen.“
In diesem Moment hat Jesus zu mir gesagt: „Nenn sie nicht so.“
Ich so: „Hä?“ Und, nach einer kurzen Pause: „Warum denn nicht, hallo?  Hast Du mal gehört, wie die immer mit mir redet? Soll sie doch froh sein, dass ihr Hund so toll hört und mich gefälligst in Ruhe lassen!“.
Jesus: „Lenk nicht ab. Nenn sie nicht so.“
Ich: „Und warum nicht, wenn ich das nochmal fragen darf? Es ist doch wohl klar, wer hier im Unrecht ist.“
Er: „Weil ich sie lieb habe“:
Ich: „Schluck.“
Ende des Gesprächs.

„Weil ich sie liebhabe“.
Das hat gesessen.
Natürlich hat der Dialog sich nicht eins zu eins so abgespielt, wie ich das aufschreibe, aber im Kern schon.
Gott hat mir in diesem Moment die Augen dafür geöffnet, dass es falsch von mir ist, diese Frau in eine Schublade zu stecken. Er hat mir gezeigt, dass sie für ihn ganz genau exakt gleich viel Wert hat wie ich selbst, dass sie eines seiner geliebten Geschöpfe ist und dass ich keine Ahnung habe, warum sie sich so benimmt, wie sie es tut.

Mir wurde klar, dass ich ihr vergeben soll.
Und dass ich selbst um Vergebung bitten muss, weil ich schon so einen inneren Groll gegen sie aufgebaut hatte.

In einer Predigt habe ich mal etwas über Adler gelernt:
Bevor diese majestätischen Könige der Lüfte sich in den Himmel schwingen, bereiten sie sich vor:
Jeden Morgen säubern sie ihr Gefieder und ziehen Feder um Feder durch ihren Schnabel. Das Federkleid wird dadurch frei von Schmutz und Parasiten (und wird nebenbei auch noch mit einer pflegenden Schutzschicht eingefettet).
Diese gründliche Reinigung kann bis zu zwei Stunden in Anspruch nehmen. Dann erst breitet der Adler seine Flügel aus, hebt ab und nutzt geschickt den Aufwind, um sich höher und höher tragen zu lassen.

Die Reinigung ist mühsam.
Aber nur, wenn ich bereit bin, mein Herz zu säubern, den Dreck und Schmutz aufzuspüren und „herauszupicken“, ist auch wieder Platz für Neues, werde ich leichter, komme ich schneller mit dem Himmel in Berührung.

Ich habe leider noch nicht die gute Gewohnheit entwickelt, täglich mein Herz zu reinigen.
Aber die Karwoche ist ein guter Anlass, um damit zu beginnen, oder?
Und wenn ich jetzt wieder die Bullytan-, äh, die andere Spaziergängerin treffe, habe ich eine andere Verknüpfung:
Nicht innerlich die Stacheln aufstellen.
Federn putzen.




Italien, die Schönheit und Gott

Sommerurlaub in Italien.
(oh, ich kann Euch gar nicht sagen, wie ich die Sonne und Wärme vermisse- jetzt schon, Mitte September!).
Nach einem heißen, wolkenlosen Tag drehe ich noch eine Abendrunde mit dem Hund. Er ist eher wenig begeistert vom mediterranen Klima und hechelt unter seinem Collie-Pelz mühsam gegen die Hitze an.
Weil es hier so viel früher dunkel wird als bei uns, bin ich gar nicht darauf vorbereitet, aber als ich den Weg hinter dem Haus in Richtung Lagune einschlage, sehe ich ihn:
einen Traum von Sonnenuntergang!
Es ist immer wieder sowas wie ein magischer Moment, wenn der Tag sich verabschiedet und in die Nacht übergeht.
Die Sonne wirft noch einmal all ihre Kraft in die Waagschale und malt verschwenderische Farben an den Horizont. Heute Abend sehe ich sie als leuchtenden Feuerball ins Meer sinken. Ihr orangeglühendes Band verliert sich in zarten Gelb- und Rosatönen. Das Wasser der Lagune, die Gräser, das Schilf, die Baumwipfel-bevor die Abenddämmerung ihre samtblaue Decke darüber breitet, wird alles noch einmal in flüssiges Gold getaucht.
Schon tausendfach gemalt, beschrieben, besungen.
Sanft gleitet der Tag hinüber in die Nacht.
Und ich stehe still und staune.
Schönheit und Staunen sind Geschwister.

BIld: pixabay, foundry

Am Tag darauf verlassen wir die ländliche Idylle.
Wir besuchen Venedig.
Mir graut es ein wenig vor den Touristenmassen, die uns dort erwarten. Und tatsächlich:  Die Stadt ist brechend voll.
Auch wir werden Teil dieser Masse und tragen -obwohl die Überfüllung uns nervt- ironischerweise unseren Teil dazu bei.
Meine Intuition sagt mir, dass es hinter der Rialtobrücke, im Stadtteil San Polo, ruhiger werden wird.
Und so ist es dann auch.
Nachdem wir zwischen San Marco und Rialtobrücke eigentlich gar nicht selbst entschieden haben, wo wir hinmöchten, sondern „gegangen wurden“, können wir jetzt aufatmen. Die Gassen sind hier sehr viel ruhiger. Ich habe Muse, mich umzuschauen, kleine Winkel und Nischen, die Seitenarmen des Canale und malerische alte Hausfassaden zu betrachten.
Später steigen wir in eines der Vaporettos, um durch den Kanal zu fahren.
Jetzt trennt uns das Wasser von den vielen anderen Touristen und hilft mir, in Ruhe meinen Blick über die Häuserfronten schweifen zu lassen.
Und da stellt es sich wieder ein, dieses Gefühl ehrfürchtigen Staunens vor einer Sache, die größer ist als ich selbst.
Gestern war es das Naturschauspiel der untergehenden Sonne, die Farbenpracht und Leuchtkraft des Himmels, die mich hat staunen lassen.
Heute und hier sind es die menschliche Kreativität, Baukunst, das Zusammenspiel von Form, Farbe und architektonischer Perfektion.
Auch darin steckt für mich etwas Überirdisches, göttliche Inspiration, die den Menschen vor Hunderten von Jahren geschenkt wurde, um die einzigartige Schönheit dieser Stadt zu erschaffen.
Selbst die Übermacht an Touristen und Maskenverkäufern kann den Zauber dieses Ortes nicht ersticken.
Venedig atmet Schönheit. Sie strömt aus den alten Gebäuden, Palazzos und Kirchen, umspült vom Wasser der Lagune.

Bild: pixabay, Inge Gärtner-Grein


Mir machen diese Eindrücke aus unserer Urlaubsreise einmal mehr deutlich:
Mein Weg zu Gott ist die Schönheit.
Schönheit lässt mich staunen.
Schönheit lässt mich innehalten und aufatmen. Sie berührt mein Herz und macht mich froh.
Für mich ist klar: Schönheit weist über sich selbst hinaus.
Ich erkenne in ihr Gottes Handschrift.
Sie schafft eine Brücke zu Gott, über die ich mit Leichtigkeit gehen kann.
Dahinter wartet Anbetung

BIld: pixabay, Ian Wilson



“He who can no longer pause to wonder and stand rapt in awe, is as good as dead; his eyes are closed.”

(Wer nicht mehr innehalten und  überwältigt staunen kann, ist so gut wie tot; seine Augen sind verschlossen.)
Albert Einstein.

Weckruf

Foto: pezibear, pixabay

Ich lese gerade im wundervollen Buch einer wundervollen Frau:


Sie beschreibt darin unter anderem die dramatischen, schmerzvollen Umstände, unter denen ihr Schwiegervater und kurz darauf ihre Mutter verstorben sind.
Es ist herzzerreißend, darüber zu lesen, und mir laufen die Tränen übers Gesicht, so sehr kann ich mitfühlen und mitleiden.

Obwohl es um Schmerz und Trauer geht, sind ihre Zeilen doch ein Weckruf für mich. Ich höre ihn ganz deutlich.

Und er lautet:
Liebe.

Im Abschied und aller Verzweiflung, die Bianka Bleier beschreibt, dringt doch diese Botschaft kristallklar zu mir hindurch:
Am Ende des Tages geht es darum, wie sehr ich geliebt habe.
Wie viel Zeit mich die Liebe kosten durfte.
Wie viel Raum ich ihr in meinem Leben gegeben habe.
Welche Wege ich gesucht habe, um sie meiner Familie, meinen Freunden, meinen Mitmenschen zu zeigen.

Ich erinnere mich gut, wie stark ich auch am Sterbebett meiner Mutter von diesem Gedanken zusammengehalten wurde: Nur die Liebe zählt.
Der Tod ist real und ist grausam.
Aber die Liebe ist mindestens genauso stark.

Es geht am Schluss nicht mehr darum, wie viel wir verdient, wie viele Menschen wir beeindruckt, wie toll wir unser Haus dekoriert und ausstaffiert haben.
Es geht darum, ob die Menschen, die mit uns verbunden sind, unsere Liebe gespürt haben.

Oh, wie sehr ich mir das wünsche.
Und wie sehr ich mich im Alltag von diesem Ziel ablenken lasse.
Es kann sein, dass ich den ganzen Tag nur meinen Verpflichtungen hinterhergehechelt bin:
Ich kaufe ein, ich mache die Betten, ich koche, ich putze, ich bereite die Förderstunden vor, ich fahre die Kinder zum Sport, gehe zur Arbeit, füttere den Hund, schreibe Mails – und merke manchmal nicht einmal, was mir fehlt und was ich vergessen habe:

Innehalten.
Mein Gegenüber sehen.
Hinhören.
Aufmerksam sein.


Liebevoll auf meine Kinder und auf meinen Mann sehen und nicht vor lauter Stress den eigentlichen Schatz vergessen, der mir anvertraut ist.

Es ist sehr berührend, von Bianka Bleier zu lesen, wie herzlich, liebevoll und wertschätzend sie die Beziehungen in ihrer Familie und in ihrem Umfeld hegt und pflegt und zu sehen, welche Blüten und Früchte daraus gewachsen sind.
Mich inspiriert das im tiefsten Inneren und weckt Sehnsucht in mir nach gutem Leben und guter Gemeinschaft.

Danke dafür.
Ich brauche diesen Weckruf. Immer wieder.

Herr, erbarme Dich

Foto: Jersualem, von Denis Doukhan, pixabay

Hmm…
Vor ein paar Tagen habe ich über Zerbruch geschrieben.
Und über Licht.
Darüber, wie wir Christen, trotz eigener Zerbrochenheit, Trost spenden können inmitten von Leid.
Bestimmt steckt in diesem Gedanken Wahrheit. Ja, ich weiß das. Das ist nicht nur eine fromme Phrase.

Aber heute… heute bin ich sprachlos.
Heute frage ich mich, ob es wirklich reicht, das klitzekleine bisschen Licht, das Du und ich vielleicht in die Welt setzen können.
Haben unsere kleinen, hilflosen Gesten der Menschlichkeit einen Sinn, angesichts der Bilder, die uns aus dem Krieg erreichen?

Heute möchte ich klagen.
Und fragen: Wo bist Du, Gott?
Wo bist Du, angesichts der Bomben und des Todes?
Wo bist Du, wenn Mütter ihre Kinder verlieren und Kinder ihre Väter?
Wo bist Du, wenn alte Männer und Frauen in der Kälte zusammenbrechen, wenn Familien in U-Bahn-Schächten um ihr Leben bangen und hungern, wenn Kinder aus leeren, glanzlosen Augen in die Kameras starren und verstummt sind vor Schreck?

Wie lange, Vater, wie lange muss diese leidgetränkte, schmerzerfüllte, angstvolle Welt noch ausharren? Wann greifst Du ein? Wann ist es genug???

Ich bin nicht so der Endzeit-Typ.
In meinem Umfeld gab und gibt es schon immer Leute, die es ganz bestimmt wissen, dass jetzt die biblische Endzeit, die Apokalypse anbricht bzw. angebrochen ist.
Nüchtern betrachtet spricht einiges dafür, dass sie momentan Recht haben könnten.
Und auf der anderen Seite dachten das schon sehr viele andere Menschen vor uns in sehr vielen Epochen, die längst vergangen sind.
Ich persönlich bin nicht so scharf darauf, das Ende der Welt live zu erleben. Mir fehlt da so ein Abenteuer- und Heldengeschichten- Gen und ich könnte ganz gut ohne Bedrängnis und ohne besondere Bewährungen durch Verfolgung und Gefängnis klarkommen.
Aber dann denke ich auch wieder:
Vielleicht ist es bald voll, das Maß.
Vielleicht hat die Welt jetzt wirklich genug Not und Elend gesehen und es ist wirklich Zeit, sie ein für allemal zu erlösen.
Vielleicht kommt Jesus bald.
Natürlich weiß ich es nicht.
Aber so oder so- ich bete um Sein Erbarmen.

Ob mein unscheinbares, flackerndes Mini-Licht bis dahin etwas verändern kann?
Keine Ahnung.
Diese Antwort kann ich nicht geben.
Am Ende werden sie die Menschen beantworten, die gelitten haben, die in der Dunkelheit waren und gewartet haben, dass jemand hilft. Diejenigen, die Barmherzigkeit gebraucht haben: Ein Stück Brot, ein Schluck Wasser, ein tröstendes Wort, ein Gebet. Oder jemanden, der sie herausholt aus dem Grauen und ihnen sagt: Komm mit. Ich bring Dich in Sicherheit.

Im Moment habe ich nichts außer meiner Klage und einem Gebet:

Herr, erbarme Dich.


Ein Becher voll Licht

Foto: congerdesign, pixabay

Wir sind so zerbrechlich.
Ein kleiner, unsichtbarer Einzeller dringt in unseren Körper ein, vermehrt sich dort und zwingt ihn in die Knie. Vielleicht für einige Stunden, vielleicht für einige Tage, vielleicht für immer.
Verbreitet sich rasend schnell und entwickelt eine Dynamik, die selbst unsere klügsten Köpfe, besten Technologien und modernsten Erkenntnisse überholt.
Wir sind enorm intelligent, organisiert, informiert.
Und so zerbrechlich.

Ein Diktator zettelt einen Krieg an, bombardiert wehrlose Zivilisten, reißt Familien auseinander und Menschen aus ihrem Leben, verfolgt rücksichtslos eigene Machtinteressen und zerstört dabei tausendfach Seelen und Existenzen.
Menschen fliehen, sterben, kämpfen, verzweifeln.
Von heute auf morgen ist nichts mehr, wie es war.
Wir sind zerbrechlich.

Stürme und Unwetter toben, Waldbrände wüten, Wassermassen reißen ein, was wir jahrzehnte- und jahrhundertelang aufgebaut haben.
Ein Unwetter fegt alles hinweg, und wir bleiben erschüttert und fassungslos zurück.
Und sind – zerbrechlich.

Wir wissen das. Irgendwie.
Oft können wir es verdrängen.
Aber heute, jetzt, fällt das Verdrängen schwer.

Der Zerbruch geht mitten durch unser Herz.
Auch ich bin nicht unschuldig, habe schon verletzt, enttäuscht, lebe auf Kosten anderer, die für meinen Reichtum einen Preis bezahlen, viel höher als ich ahne.

Wo ist Hoffnung?
Wo ist Licht?
Gibt es einen Ausweg oder gewinnen Krankheit, Zerstörung und Krieg?

Immer, wenn ein Mensch sich über einen anderen Menschen erbarmt, immer, wenn ein Mensch einen anderen Menschen tröstet, immer, wenn etwas geteilt und gegeben wird, immer, wenn jemand den Mut besitzt, das Unrecht beim Namen zu nennen und für Gerechtigkeit aufzustehen, immer, wenn eine Wunde verbunden und eine Träne abgewischt wird, kommt Licht.

Und Licht ist stark.
Warst Du schon mal in einem dunklen Raum? Kubikmeter um Kubikmeter Finsternis und Schwärze.  
Und dann entzündet jemand eine einzige kleine Flamme.
Sie hat nicht die Kraft, den ganzen Raum in Licht zu tauchen, dafür ist sie zu klein.
Aber man kann sie sehen, überall, noch im hintersten Winkel des Raums.
Es bleibt nicht verborgen, das Licht. Selbst wenn es sich verstecken wollte- es ist absolut unmöglich, unsichtbar zu sein als Licht.

Ann Voskamp schreibt:

“It´s Jesus who fills us up with this light of compassion, with the compassion He´s shown us, and we can become heroes, co-sufferers. The heroes are the ones who carry their broken cups of light into the world to leak His healing light. We will bring her his grace, a listening ear, a meal, an invitation to our table, a bunch of wildflowers; we will give her the gift of presence. We will make CHRIST present, we will be the gift, and we will give her cup upon cup of light.
(…)
The question of evil does not need a solution as much as it needs compassion.”


„Es ist Jesus, der uns mit diesem Licht des Erbarmens füllt, mit dem Erbarmen, das Er uns geschenkt hat, und wir können Helden werden, Mit-Leidende. Die Helden sind die, die ihre eigenen zerbrochenen Becher in die Welt hineintragen, um Sein heilendes Licht aus diesen Gefäßen herausströmen zu lassen. Wir bringen der Welt Seine Gnade, ein hörendes Ohr, eine Mahlzeit, eine Einladung an unseren Tisch, einen Strauß voll Wildblumen; wir werden der Welt das Geschenk der Gegenwart machen. Wir werden Christus gegenwärtig machen, wir selbst werden zum Geschenk, und wir werden becherweise Licht verschenken.
(…)
Die Frage des Bösen braucht nicht so sehr eine Lösung. Sie braucht Barmherzigkeit.“


(Ann Voskamp, The Broken Way. A daring path into the abundant life. Zondervan 2016)

Hier bin ich, maßlos überfordert mit all den Nöten der Welt.
Hier bin ich, ein Gefäß, das selbst zerbrochen ist.
Und hier bin ich, mit der Möglichkeit, tagtäglich Barmherzigkeit zu üben.
Ich habe nur ein kleines Licht.
Es wird niemals ausreichen, die ganze Welt zu erleuchten.
Das braucht es auch nicht.
Es braucht nur den Wunsch, mich von Jesus füllen zu lassen, für die nächste Kleinigkeit, die mir vor die Füße fällt, für die nächste Gelegenheit, barmherzig zu sein:
ein Anruf
ein aufrichtiges, freundliches Wort
ungeteilte Aufmerksamkeit, ohne Mobiltelefon
Nachsicht mit meinem Kind
ein kleines, liebevolles Geschenk
eine Mahlzeit
ein Einkauf
ein Blumenstrauß
eine Stunde Zeit
Betroffenheit, die ohne billigen Trost auskommt.
Und die Demut, umzukehren, immer wieder umzukehren, wenn ich mich selbst in der Dunkelheit verirre.

Ist das nicht zu klein, zu wenig, zu lächerlich?
Ja, das ist es. Absolut.
Aber Jesus in mir macht den Unterschied.
Nicht meine Tat oder meine Aktion, sondern Gottes heilende Gegenwart und Liebe darin.

Ein Becher voll Licht in der Finsternis.


Just trust

Foto: René Schué, pixabay

Manchmal kann es so einfach sein.
Ich habe nicht gesucht und trotzdem gefunden.
Und zwar bei einem meiner vielen Spaziergänge, mitten zwischen vielen kleinen Regenpfützen, die sich auf dem gefrorenen Untergrund gesammelt hatten und kleine Seen auf einer großen Eisfläche bildeten. Mehrmals haben meine Füße den Halt auf dem nassen, glatten Boden verloren und ich wäre fast der Länge nach hingeknallt. Sogar der Hund, der sich sonst mit natürlicher Eleganz durch jedes Gelände bewegt, ist ein bisschen vor sich hin geschlittert, was ganz drollig, aber auch etwas riskant aussah…
Als hätte jemand erkannt, dass ich dringend einen Halt brauche, hatte ich- schwupps- diesen kleinen, prägnanten Satz in meinem Kopf:

 Just trust.

Ich musste ein bisschen lächeln, als ich da so ganz allein durch den zugefrorenen Wald gestolpert bin.
Aber sofort war mir klar, dass die Worte ein Geschenk an mich waren, und zwar eines, das nicht allein für diesen Spaziergang gedacht war -wir sind heil wieder zu Hause angekommen, der Hund und ich- , sondern ein Geschenk für das Neue Jahr. Eine Art Wort-Geländer, das mir angeboten wird, falls ich mal was zum Dran-Festhalten brauche…

Ich bin ein ängstlicher Mensch, großgeworden mit einer ängstlichen Mutter, die hinter jedem Windhauch einen aufziehenden Sturm, hinter jedem Räuspern eine schlimme Krankheit und in vielen Herausforderungen eine existenzielle Bedrohung gewittert hat. Ich mag es ihr nicht verdenken- sie wurde fast auf den Tag genau mit Kriegsbeginn geboren. Die Eindrücke und Gefühle aus dieser schrecklichen Zeit haben sie ein Leben lang begleitet und es sogar noch vermocht, einen Schatten auf das Leben ihrer Kinder zu werfen. Wiegesagt, ich bin ein ängstlicher Mensch. Sorglose Zuversicht, tiefenentspanntes Vertrauen- das gehört nicht zu meiner emotionalen Grundausstattung.

ABER:
Ich darf lernen.
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen hat damit zu tun, dass meine ängstliche Mutter (!) mir etwas über Gott erzählt hat. Sie selbst war sich, glaube ich, nie so richtig sicher, ob sie nun wirklich an den lieben Gott glauben kann oder nicht. Sie wollte das gerne, aber oft hat ihr auch die Kraft dazu gefehlt. Wahrscheinlich dachte sie trotzdem, dass es nichts schaden kann, wenn sie mir mal die Idee vermittelt, dass es noch jemanden gibt, der über den Dingen und dieser Welt steht und der auf mich aufpassen kann.
Ohne zu zögern habe ich ihr das geglaubt. Es war mir von einer Sekunde auf die nächste klar, dass es diesen „Jemand“ gibt. Und ohne dass ich das mit meinen vier Jahren hätte in Worte fassen können, habe ich instinktiv erfasst, dass das meine Rettung ist.
Und habe Vertrauen gefasst.

Seitdem gehe ich Vertrauens-Schritte, mit Jesus an meiner Seite.
Manchmal fühlt sich das Leben trotzdem an, als wäre es eine Schlitterpartie auf Eis:
Dann frage ich mich, ob das berufliche Projekt, das ich mir für 2022 vorgenommen habe, wohl klappen wird oder ob ich mich mit dieser Idee übernehme.
Manchmal denke ich auch, dass ich nicht (mehr) nah genug an meinen Kindern dran bin, weil ich mich um so viele andere Themen kümmere.
Natürlich bete ich auch viel zu wenig, viel weniger, als ich eigentlich möchte. Wird Gott sich trotzdem um all meine Anliegen kümmern und werden meine Kinder trotzdem alles haben, was sie brauchen, besonders im Glauben???
Im Fragen und Zweifeln war ich schon immer gut.

Aber, ha! Ich hab ja jetzt ein Wort-Geländer:

Just trust,

halte ich mir selbst und meinen Fragen entgegen, weil es so schön eingängig ist und sich reimt.
Mehr Gelassenheit einüben.
Nicht einfach Nichts-Tun, aber vertrauen, dass es nicht allein auf mein Tun ankommt, sondern dass ich ja noch jemanden habe, der auf mich, meine Liebsten und die Welt aufpasst.

Heute habe ich im Gottesdienst

ein wunderschönes, bewegendes Zeugnis gehört.
Ein Ehepaar, beide Mitte bzw. Ende 80, haben aus ihrem Leben erzählt. Sie hat davon berichtet, dass sie einmal in große Sorge wegen ihrer Tochter war. Als sie dann für ihr Kind gebetet hat, hat sich die Situation verändert und sie war so überwältigt von Dankbarkeit, dass sie zu Gott gesagt hat:

Du darfst Dir alles von mir wünschen, was Du willst“.

Selbst ein wenig erschrocken über dieses kühne Gebet, hat sie kurz darauf klar und deutlich eine Stimme gehört, so als sei noch eine andere Person im Raum:

„Vertraue mir“, hat die Stimme gesagt.

Just trust.
Mein Geländer für 2022.

Foto: Heiko Stein, pixabay

Anker im Advent- Teil 24

Vollkommen geliebt

von Barbara

Das ist unser großes Missverständnis,
Dass wir denken,
wir müssten mehr sein,
um genug zu sein:

reicher
schöner
besser
klüger

als wir selbst es sind
oder die anderen.

Dabei ist es ganz anders.

Nimm Deine Krone ab
und leg sie ins staubige Stroh.
Mach dich klein,
so, dass Du das Baby dort siehst.
Und wenn Du dann im Herzen gebeugt bist
vor deinem Gott:

So wie Du bist,
bist Du vollkommen geliebt
und vollkommen genug.

Foto: stock snap, pixabay